© René Groébil
Ankündigung: Am Samstag 14. Juni bleibt die Bildhalle geschlossen. Am 2. Juni feiern wir die Vernissage der Ausstellung NIGHT PIECES von Hans Peter Riegel. Es wird dies die letzte Vernissage in den alten Räumlichkeiten der Bildhalle sein.
Die Galerie wird nach der Sommerpause mit einer Einzelausstellung von WERNER BISCHOF an einem neuen Standort in Zürich eröffnen. News folgen.
Wir freuen uns auf Sie!
Mirjam Cavegn & das Bildhallen-Team
© René Groébil
Wer ist René Groebli? Er ist ein blinder Fleck. Vielleicht DER «Missing Link» in der Geschichte der modernen Schweizer Fotografie.
Als erster auf ihn aufmerksam wurde der amerikanische Fotograf und Kurator Edward Steichen. Der Visionär Steichen, der Ende der vierziger Jahre im New Yorker Museum of Modern Art die weltweit erste Abteilung für Fotografie eingerichtet hatte. Er erwarb für seine Museumssammlung Groeblis Bild-Poem «Das Auge der Liebe». Er wählte den Schweizer Groebli auch für seine monumentale MoMA-Ausstellung «The Family of Man» (1955), den Versuch eines umfassenden Menschheits-Porträts, das bis heute um die Welt reist. Steichens Nachfolger John Szarkowski wiederum integrierte Groebli in seine Ausstellung «The Photographer's Eye» (1964) und wies ihm in der gleichnamigen Publikation einen besonderen Platz zu.
In Deutschland war es Otto Steinert, der Groeblis Potential erkannte. Der renommierte Nachkriegsfotograf, Professor an der Werkkunstschule Saarbrücken, und Mitglied der avantgardistischen Gruppe «fotoform», zeigte die Bewegungsbilder des Schweizers in den Ausstellungen «subjektive fotografie» (1951/1954). Die Tanzenden im Zürcher Tresterclub (1947) verkörperten für Steinert die visionären Möglichkeiten des Mediums, den State oft the Art progressiver Fotografie. Denn das ist ja das Typische an diesem Künstler: Er ist ein Künstler in Bewegung. Bewegung ist seine innere Natur. Deshalb hat er die Entwicklung seiner Kunst nie linear vollzogen, nie das Einzelbild als statische Ikone verstanden. Im Gegenteil, er denkt das Medium zentrifugal von seiner Mitte aus. Und diese Mitte meint Bewegung, ist Dynamik. Es ist die Urform von Kreativität.
Daniele Muscionico
© René Groébil
René Groebli wurde am 9. Oktober 1927 in Zürich geboren. 1945 kam er in die vorbereitende, 1946 in die Fachklasse für Fotografie von Hans Finsler an der Kunstgewerbeschule Zürich. Bei Central Film und Gloria Film in Zürich absolvierte er zwischen 1946 und 1948 eine Ausbildung zum Dokumentarfilm-Kameramann und schloss diese als Erster in der Schweiz mit einem Abschlussdiplom ab.
Als Reportagefotograf führte er Aufträge für die Schweizer Zeitschrift «Die Woche», später für die Londoner Agentur «Black Star» in Afrika und im Nahen sowie Mittleren Osten aus. Seine ersten beiden Buchpublikationen waren «Magie der Schiene» (1949), ein poetisches Essay und die Bildserie «Das Auge der Liebe» (1954, neue Edition 2014). In der Ausstellung «The Family of Man», die Edward Steichen für das Museum of Modern Art in New York organisierte, war René Groebli zusammen mit den Schweizer Fotografen Werner Bischof, Robert Frank und Gotthard Schuh vertreten. 1954 wurde er, gleichzeitig mit Robert Frank, ins Kollegium Schweizerischer Photographen aufgenommen.
Den Fotojournalismus gab er nach kurzer Zeit auf und gründete Mitte der 1950er Jahre ein eigenes Fotostudio für Werbe- und Industriefotografie. Groebli spezialisierte sich auf die Farbfotografie und experimentierte mit dem Dye Transfer-Verfahren. Das US-amerikanische Magazin «Color Annual» ehrte ihn 1957 als «Master of Color». Ab den frühen 1980er Jahren führte er keine kommerziellen Aufträge mehr aus, sondern widmete sich wieder seinen freien künstlerischen Essays in Schwarzweiss. Gegen Ende des 20. und während der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts arbeitete er sein Bildarchiv auf und digitalisierte die wichtigsten Fotografien seines im Verlauf von 60 Jahren entstandenen Werks.
HANS PETER RIEGEL – NIGHT PIECES
© Hans Peter Riegel
Beschäftigte er sich damals mit übersehenen, eigentlich schon aus der Erinnerung getilgten Motiven, widmet er sich heute wieder dem Übersehenen, dem nicht Wahrgenommenen. NIGHT PIECES sind Pflanzen, die im Schatten blühen, Unkraut und Gestrüpp, die niederen Gewächse der Stadt. Riegel findet sie bei seinen täglichen Spaziergängen. Er rückt sie in den Mittelpunkt unserer Betrachtung, indem er sie im Moment ihres Auffindens fotografiert und dabei auf künstliche Beleuchtung oder Studiotechnik verzichtet. Was analoge Fotografen im Verborgenen der Dunkelkammer vollführen, das Spiel mit dem Positiv und dem Negativ, die Veränderungen von Kontrasten und Färbungen, solche Kunstgriffe vollzieht Riegel digital. Damit entwickelt er eine höchst eigenständige, ästhetische Intensivierung seiner puristischen Bildgestaltung.
Hans Peter Riegel ist nicht allein Fotograf sondern auch Konzept- und Medien-Künstler. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er zudem als Autor bekannt. Seine 2013 erschienene Biografie des Künstlers Joseph Beuys erlangte grosse Aufmerksamkeit und ist mittlerweile eines der am häufigsten besprochenen Bücher seiner Art in der jüngeren, deutschsprachigen Literaturgeschichte. Riegel schreibt regelmässig für führende Tages- und Sonntagszeitungen. Er lebt und arbeitet in Zürich.