Expositions du 01/03/2006 au 25/06/2006 Terminé
Sprengel Museum Hannover Kurt-Schwitters-Platz 30169 Hannover Allemagne Tél: 0511 . 16843875 Fax: 0511 . 16845093 sprengel-museum@hannover-stadt.de www.sprengel-museum.de Heures d'ouverture: Tue 10-20, Wed-Sun 10-18
Die Entstehung der Arbeit geht zurück auf eine Reise, die Shirana Shahbazi 2005 nach Moskau führte. Es entstand ein Reisebericht anderer Art: Er umfasst Fotografien, Plakate, Plakatmalereien, in traditioneller Knüpftechnik gefertigte Seidenteppiche nach fotografischen Motiven sowie eine anlässlich der Ausstellung erscheinende Publikation.
Shirana Shahbazi produziert Bilder, die - ganz selbstverständlich - für sich zu stehen scheinen. Die Alltäglichkeiten, denen sich die Künstlerin widmet, entfalten ihren visuellen Reiz aus einer Kultiviertheit heraus, in der sie sich, auf diese Weise fixiert, in Tradition und Konvention mit Respekt bedacht geborgen zu fühlen scheinen. Sie fokussiert die 'große Stadt' aus der Position des Feldherrenhügels, um dann in Kürze umzuschwenken auf Details, Momente, Situationen des Alltäglichen: Shirana Shahbazi ist Meisterin des Stilllebens, der Landschaftsfotografie, des Porträts, des Interieurs, der Architektur. Sie behandelt diese Sujets in einem sich des Raumes und seiner Vielschichtigkeit verschreibenden Licht, mit einer Neigung zu klassischen Kompositionen, und einer Freude an kultiviert differenzierten Farbigkeiten, die ohne jede Neigung zur Diffamierung konservativ genannt werden können. Die Menschen, die auf den Fotografien Shahbazis der Kamera entgegenblicken, schauen wie es scheint auf jene Weise umstandslos, die ein geklärtes Wissen voraussetzt. Es geht hier nicht um irgendetwas, sondern darum, dass es ist. Es geht nicht darum, dieses oder jenes zu beweisen, zu erklären, zu demonstrieren, zu behaupten, sondern um ein grundsätzliches Fixieren visueller Präsenz, um das visuelle Fixieren von materiellen Erscheinungsformen dieser Welt - um nicht mehr und um nicht weniger. Das ist nicht hoch genug zu schätzen, hat sich doch auch die Geschichte der Fotografie inzwischen aufgeladen mit einer Unmenge von Ideologien, gegeneinander konkurrierender geschlossener Systeme von weltanschaulichen Leitbildern, Anschauungen und Werten, die in dieser oder jener Bildform ihren Niederschlag finden. Shahbazis Fotografie ist vor diesem Hintergrund - in ihrem strikten Konservatismus, ihrer Liebe zu den auch über die Malerei seit der Renaissance tradierten Form- und Farbprinzipien - eine Fotografie der 'Mitte': eine Fotografie, die den Versuch unternimmt, ihre Sujets möglichst ideologiefrei in eine von verschiedenen Seiten aus zugängliche diskursive Mitte zu rücken.
Sie tut dies, indem sie die Dinge vor der Kamera wendet, die Menschen sich wenden lässt, den Standpunkt wechselt, von dem aus sie die Dinge betrachtet. Ihre Bilder folgen, so gesichert sie im Einzelnen auch sind, mehr als nur einer Perspektive. Ihre Bilderzyklen formen sich aus solchen Bewegungen heraus - Bewegungen, in denen auch die Zwischenräume ihren Betrag leisten zu einer Poetik der Beschreibung, der verbal kaum beizukommen ist.
Man darf diese Mehrperspektivität, die sich auch in der Hängung ihrer Arbeiten zu nichtlinearen Bildtableaus äußert, durchaus wörtlich verstehen: Vor dem Hintergrund der Erfahrung verschiedener Kulturen weiß die Künstlerin um die Schwierigkeiten der Annäherung an das 'Andere', 'Fremde': um die Problematik der Reproduktion von Stereotypen ebenso wie um die wohlmeinender Verständnissinnigkeit, um Ambivalenzen, Widersprüche und Widerstände.
Fotografie ist, ihrer Technologie und der Geschichte ihrer Handhabung gemäß, vor allem ein visuelles Instrumentarium der vermessenden, kategorisierenden Beschreibung. Auch eine wie auch immer geartete subjektive Fotografie kann sich dem nicht entziehen, da sie sich unweigerlich zu eben dieser Geschichte, ob beabsichtigt oder nicht, ins Verhältnis setzt. Wie also ist es möglich, dieses Vermessen und Kategorisieren (nach welchen, in welchen Kontexten geprägten kulturellen Normen auch immer) in einem möglichst weiten, ideologisch möglichst wenig belasteten Raum zu verspannen? Wie also ist es möglich, eine Bilderzählung im vollen, vielschichtigen Reichtum ihrer diffizilen und poetischen Zeichenhaftigkeit zu kommunizieren?
Man kann - zum Beispiel - sagen: Dies ist ein Bild. Als fotografisches ist es von präziser Referenzialität, von präziser Zeugenschaft über das Sein der Materialität - da vor der Kamera, im Moment der Aufnahme, der vergangen ist. Es ist nicht mehr - und auch nicht weniger - als ein Bild. Es ist, was es ist. Alles, was dann passiert, ist Interpretation, Konstruktion von Bedeutung mittels Sprache.
Shahbazi geht einige Schritte weiter: Sie setzt ihre Fotografien, mittels großformativer Plakatmalerei, dem Knüpfen von Seidenteppichen und den Plakatdruck, in andere Medien um: Wenn auch ein fotografisches Bild ein Bild ist, nicht mehr und nicht weniger, dann kann es genauso gut eine Malerei, ein Teppich, ein simpler Plakatdruck sein; dann muss das Sujet, von Medium zu Medium handwerklich präzise bewegt, seine nonverbale Poesie des 'Soseins' auch als Teppich, als Malerei, als Plakat zu behaupten wissen. Zeugenschaft ist nun nicht mehr Domäne der analog-fotografischen Technologie: Sie ergibt sich aus der poetischen Präsenz der Bilder von den Dingen.
Shahbazi fotografiert Alltägliches. Sie erhebt Momente des Banalen in den Status der Bildwürdigkeit, ohne auf deren politische, soziale wie auch immer Bedingheit zu insistieren. Sie 'stülpt', wie sie es selber einmal sagte, Bilder der Straße in den Museumsraum. Ist der öffentliche Raum im Normalfall der des visuell Erhabenen bzw. 'Erhobenen' - des Politikerporträts, des Porträts des als beglückt vorgestellten Werbeträgers das sich auf Plakaten und Plakatmalereien findet (bzw. fand), so wendet die Künstlerin dies in doppelter Hinsicht: Sie besetzt diese 'Werbeflächen' mit Bildern des Alltäglichen, und sie stellt diese Bilder in den Museumsraum, der eine neue Erhabenheit - die der Kontextualisierung in der visuelle Hochkultur - produziert. Für ein anderes Ausstellungsprojekt, die Bieler Expo.02, schlug Shahbazi vor, ein großflächig wandfüllendes, gemaltes Khomeini-Porträt aufzuhängen. Dass dies ein ironischer Akt der Entmachtung des Porträts Khomeinis im Sinne der Warholschen Strategie der Bedeutungsentleerung mittels deplazierter Überhöhung hätte sein können, wurde nicht akzeptiert. Das Projekt wurde nicht realisiert.
Im Sprengel Museum Hannover agiert Shahbazi aus einem ähnlichen konzeptionellen Ansatz heraus, doch mit einem anderen Vorzeichen. Hier, in der in Moskau entstandenen Arbeit, geht es um Bildwürdigkeit des Alltäglichen, um seine Lesbarkeit als BILD, um seine Entfaltung in einem Mosaik aus Bildern, bis in die Zwischenräume, die Leerstellen hinein. Die Fotografie, das Plakat, der Teppich, die Malerei, sind ein handwerklich präzise produziertes Ready-made, das Zitat eines Versatzstückes aus der visuellen Alltagskultur, das eine eigene poetische, in die Tiefe wirkende Kraft entwickelt.
Shirana Shahbazi wurde 1974 in Teheran / Iran geboren. 1985 zog sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Von 1995 bis 1997 studierte sie Fotografie und Design an der Fachhochschule Dortmund, anschließend bis 2000 Fotografie an der Hochschule für Gestaltung und Kunst, Zürich.
Die Arbeiten von Shirana Shahbazi wurden und werden in zahlreichen internationalen Ausstellungen (u. a. Biennale Venedig 2001; Berlin Biennale 2006) gezeigt.
Die Künstlerin lebt in Zürich und hält sich zurzeit als Stipendiatin der Stiftung Landis & Gyr in Berlin auf.Sprengel Museum Hannover Kurt-Schwitters-Platz 30169 Hannover Allemagne Tél: 0511 . 16843875 Fax: 0511 . 16845093 sprengel-museum@hannover-stadt.de www.sprengel-museum.de Heures d'ouverture: Tue 10-20, Wed-Sun 10-18