August Sander, Zirkusartistin, 1926?Äì1932 © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln; VG Bildkunst, Bonn 2010
Centre National de l'Audiovisuel Boîte postale 105 L-3402 Dudelange Luxembourg
„Das Wesen der gesamten Photographie ist dokumentarischer Art“, so schrieb August Sander in einem seiner Vorträge, die er 1931 im Kölner Westdeutschen Rundfunk hielt. Damit formulierte er einen Kernsatz, der für seine Arbeitsauffassung während seiner gesamten Laufbahn maßgeblich blieb.
Berühmt wurde der Photograph durch das Mitte der 1920er Jahre entworfene Werk Menschen des 20. Jahrhunderts, in dem er Porträts von Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen entsprechend einem von ihm angelegten Konzept über Jahrzehnte hinweg zusammenführte. Hundert Arbeiten aus diesem Werk wurden erstmals 1927 in einer Ausstellung im Kölnischen Kunstverein gezeigt und 1929 in Sanders erster, 60 Motive umfassender Buchpublikation Antlitz der Zeit veröffentlicht. Insgesamt suchte der Photograph ein möglichst facettenreiches Gesellschaftsporträt seiner Zeit zu schaffen, das auf die Reflexion des Individuellen in Beziehung zum etwaig Typischen der jeweiligen Gesellschafts- und Berufsgruppe abzielte. Vergleichende Photographie und unmittelbare Beobachtung sind dabei wichtige Stichworte, die Sanders methodische Vorgehensweise charakterisieren. Vor allem im Nebeneinander der Bilder sah er die Möglichkeit, typische Physiognomien und Körpersprachen unterschiedlicher Berufsstände, Geschlechter und Generationen sowie persönliche Erscheinungsweisen hervortreten zu lassen.
Von der großen Resonanz schon zu Lebzeiten zeugen viele Kommentare, wie sie etwa zu Antlitz der Zeit verfasst wurden, so von Kurt Tucholsky, Lou Straus-Ernst – der ersten Frau von Max Ernst – oder Walter Benjamin. Letzterer hatte besonders auch auf die aufklärerische Wirkung des Porträtwerks vor dem Hintergrund der drohenden nationalsozialistischen Herrschaft hingewiesen, was rückblickend wie eine Vorahnung anmutet. 1936 wurden die Druckstöcke zu Sanders Antlitz der Zeit von den Nationalsozialisten zerstört und der weitere Vertrieb des Buches verboten. Dennoch aber hielt Sander an seiner Arbeit fest. Eine größere Würdigung sollte sich dann aber erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg einstellen. So reiste 1952 Edward Steichen zu August Sander, um mit ihm einige Exponate für die Ausstellung The Family of Man auszuwählen. Diese drei Bilder (Handlanger (1928), Jungbauern (1914), Herrenbauer (1924)) sind heute im Museum The Family of Man in Clervaux/Luxemburg zu sehen. Ebenso wählte Steichen ein Konvolut aus, das Eingang in die Sammlung des Museum of Modern Art, New York, fand. 1962, zwei Jahre bevor der Photograph verstarb, erschien schließlich das Buch Deutschenspiegel mit einer Einleitung des Kunsthistorikers Heinrich Lützeler.
In absoluter Naturtreue suchte August Sander ein Bild seiner Zeit zu geben. Geschaffen hat er ein einzigartiges vielschichtiges Oeuvre von einflussreicher kunst- und kulturhistorischer Bedeutung.
Seit 1992 wird das August Sander Archiv in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, betreut, sein Werk in verschiedenen Präsentationen und Publikationen der Öffentlichkeit vorgestellt. Die hier gezeigte Ausstellung bietet in 100 Aufnahmen einen repräsentativen Querschnitt durch das über 600 Aufnahmen umfassende Hauptwerk des Photographen Menschen des 20. Jahrhunderts.